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Warnsignal für die Erhaltung der alpinen Vögel: Schneesperling in Gefahr

Eine innovative genetische Studie, unter der Leitung vom Naturmuseum Südtirol und der Mitarbeit von Eurac Research und weiteren drei Forschungseinrichtungen, wurde im Journal of Biogeography veröffentlicht – neue allarmierende Informationen zum Schneesperling, ein Gebirgsbewohner, der durch Veränderungen von Klima und Umwelt stark gefährdet ist: hohe Inzucht und begrenzte Vernetzung bedrohen sein Überleben.

Die Vögel, die auf die Bedingungen im Hochgebirge spezialisiert sind wie Schneesperling, Alpenbraunelle und Alpenschneehuhn sind stark gefährdet. Die beiden wichtigsten Ursachen liegen im Klimawandel und in der durch den Menschen bedingten Veränderung alpiner Lebensräume. Dabei spielt der zunehmende Druck durch den Tourismus und die damit verbundenen Infrastrukturen eine entscheidende Rolle. Die Lebensräume dieser Vogelarten sind an sich schon begrenzt, weil sie sich auf ganz bestimmte Bedingungen spezialisiert haben. Durch die menschliche Präsenz, baulichen Eingriffe und die Veränderungen der Lebensräume verringern sich die Areale zunehmend und werden zusätzlich zersplittert. Unter diesen Bedingungen kann es schwierig werden, dass sich Individuen derselben Art zwischen verschiedenen Fortpflanzungsgebieten bewegen und paaren können. Das vermindert den Genfluss und dies kann vor allem kleine und periphere Populationen stark beeinflussen. 

Diesem Aspekt galt bisher wenig Aufmerksamkeit, aber für das Abschätzen der Zukunftsaussichten der alpinen Vogelarten ist diese Art der Erkenntnis unumgänglich. Daher untersuchten das Naturmuseum Südtirol, die Universität Mailand, die Universität Oulu in Finnland, MUSE Museo delle Scienze, Trient und Eurac Research, Bozen das Phänomen des genetischen Austauschs von ausgewählten Arten von Gebirgsvögeln. Die Ergebnisse publizierte die Gruppe in der internationalen Zeitschrift Journal of Biogeography. Das Szenario klingt besorgniserregend vor allem für eine Art, die für die hochalpinen Offenlandflächen charakteristisch ist, der Schneesperling. Genetische Untersuchungen von Schneesperling in den Fortpflanzungsgebieten in Südtirol, Trentino und Lombardei ergeben, dass viele Individuen die Distanzen zwischen diesen Fortpflanzungsgebieten nicht mehr überwinden.  Diese Einschränkung der Ausbreitung ist bereits ab 20-30 Kilometer Distanz feststellbar. Viele Schneesperlinge bleiben im Verbreitungsgebiet der Elternvögel und zeigen wenig Neigung zur Ausbreitung. Dies schränkt die Vernetzung und somit den Genfluss ein. Entsprechend konnte ein hohes Maß an Inzucht festgestellt werden: 20% der untersuchten Individuen sind Nachwuchs von Vögeln, die untereinander verwandt sind wie Kusinen ersten Grades oder noch enger verwandt. Dies deutet darauf hin, dass innerhalb der Population die Ausbreitung bereits unzureichend ist, um Paarungsmöglichkeiten mit nicht verwandten Individuen zu gewährleisten.

„Diese sehr engen Verwandtschaftsgrade sind allarmierend: vorhandene, aber noch nicht ausgeprägte (rezessive) schädliche Gen-Mutationen gefährden die Überlebenschancen der nächsten Schneesperling-Generationen. Die drei Faktoren wie Lebensräume, die immer kleiner werden, verringerte Ausbreitung der Schneesperlinge über ihr Herkunftsgebiet hinaus und Inzucht können leicht zum lokalen Aussterben führen. Dabei verringert sich die Schneesperling-Population, die Brutgebiete und das Verbreitungsgebiet der Art insgesamt. In der Tat konnte nachgewiesen werden, dass lokale Populationen in einigen Gebieten der Alpen bereits ausgestorben oder in ihren Anzahlen stark zurückgegangen sind“, stellt Francesco Ceresa fest. Er ist Ornithologe am Naturmuseum Südtirol und Erstautor der Studie. Petra Kranebitter, Koordinatorin des Forschungsprojekts und Konservatorin für Zoologie am Naturmuseum Südtirol, fasst zusammen: „Die Vögel, die auf den Lebensraum Hochgebirge spezialisiert sind, zeigen die Veränderungen in diesem Lebensraum recht gut an. Die Entwicklungen sind besorgniserregend. Sie weisen uns darauf hin, dass diese Lebensräume mehr und intensiveren Schutz brauchen, damit die auf diesen Lebensraum angewiesenen Arten überleben können. Wir werden diese besonders gefährdeten Arten weiterhin beobachten und untersuchen“.

Mattia Brambilla, Ökologe an der Abteilung für Scienze e Politiche Ambientali dell’Universitá degli Studi Mailand und Ko-Autor der Studie, beschäftigt sich schon jahrelang mit den alpinen Vögeln. Er betont „mit der aktuellen Studie fügt sich ein nächster Mosaikstein zum komplexen Bild der Auswirkungen der klimatischen Veränderungen, denen die Hochgebirgsarten ausgesetzt sind. Diese Arten sind bereits durch die Verringerung ihres Verbreitungsareals, Veränderungen des Nahrungsangebotes oder in der Co-Existenz mit anderen Arten, Verschlechterung der Lebensbedingungen durch menschliche Aktivitäten unter Druck. Kommen mehrere oder alle diese Faktoren zusammen, verstärken sich die negativen Auswirkungen auf die Vogelart. Das ist der Hauptgrund für den Rückgang der alpinen Vogelarten und der Anzahl innerhalb einer Art, die Auswirkungen werden sich in den nächsten Jahrzehnten noch deutlicher zeigen.“

Das Forschungsprojekt „Population connectivity in high-elevation Alpine birds threatened by climate change” wurde von der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, Abteilung Innovation, Forschung und Universität finanziert. Weitere Ergebnisse aus diesem Forschungsprojekt finden sich bereits publiziert in Molecular Ecology und Journal of Avian Biology.   

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